Aminosäuren: Multitalente für die Gesundheit
Die Orthomolekulare Medizin (OM) verwendet zur Prävention und zur Behandlung ernährungsabhängiger bzw. chronisch degenerativer Erkrankungen keine körperfremden Substanzen in physiologischer oder pharmakologischer Dosierung; sie ist in sehr vielen Fällen eine gute und sehr gute Ergänzung zu schulmedizinischen und naturheilkundlichen Therapieverfahren. Verschiedene Pathomechanismen lassen sich durch eine gezielte Therapie mit Mikronährstoffen günstig beeinflussen, z. B. die endotheliale Dysfunktion, die Entzündungsbereitschaft, Störungen des Neurotransmittermetabolismus, oxidativer Stress, degenerative Veränderungen von Knochen und Bindegewebe, vorzeitige Alterungsprozesse.
Zu den orthomolekularen Substanzen gehören auch die Aminosäuren, deren therapeutisches Potenzial erfreulicherweise zunehmend erkannt und auch genutzt wird. Von einer ungezielten Therapie mit hoch dosierten Aminosäuren ist allerdings abzuraten. Das Verhältnis der Aminosäuren zueinander im Blutserum hat einen starken Einfluss auf die zelluläre Aufnahme der einzelnen Aminosäuren, so dass durch eine ungezielte Supplementierung ein Aminosäurenungleichgewicht bewirkt werden kann. Ein Profil der Aminosäuren im Blutplasma/ Serum spiegelt deren dynamischen Fluss wider und liefert wichtige Hinweise für eine individuelle Aminosäuren-Supplementierung.
Alanin
Alanin ist eine nicht essenzielle Aminosäure und neben Glutamin das wichtigste Molekül für den Aminostickstoff im Blut. Der Anteil des Alanins an den Aminosäuren, die von der Muskulatur an das Blut abgegeben werden, beträgt rund 30 Prozent; der Alaningehalt der Muskelproteine beträgt nur rund 6 Prozent. Daraus ist ersichtlich, dass die Alaninsynthese eine bedeutende Stoffwechselleistung der Muskelzellen ist.
Alanin wird überwiegend von der Leber aufgenommen und dort unter Abspaltung der Aminogruppe zu Pyruvat umgewandelt. Das Pyruvat dient im Fastenstoffwechsel oder unter dem Stoffwechseleinfluss von Stresshormonen und/ oder Entzündungsmediatoren als Substrat für die Glukoneogenese. Niedrige Alaninkonzentrationen im Blutserum können ein Hinweis auf Hypoglykämie sein. Alaninsupplemente können den Glukosespiegel erhöhen und sind daher oft bei Hypoglykämieneigung hilfreich. Niedrige Alaninkonzentrationen treten nicht selten gemeinsam mit verminderten Konzentrationen der verzweigtkettigen Aminosäuren auf.
Asparaginsäure
Asparaginsäure, eine nicht essenzielle Aminosäure, hat sehr vielfältige Stoffwechselfunktionen. Ihr Salz, das Aspartat, ist via Oxalacetat ein Schlüsselmolekül für die Aktivität des Citratzyklus, Substrat für die Glukoneogenese und für den Citratzyklus. Aspartat dient als NH2-Donator für den Harnstoffzyklus und für die Synthese von Purinen, Pyrimidinen und Nukleotiden; es ist auch eine Vorstufe für die Asparaginsynthese und ein excitatorischer Neurotransmitter im ZNS.
Aspartat kann wegen seiner Beteiligung am Harnstoffzyklus zur Verbesserung der Ammoniakentgiftung eingesetzt werden. Es gibt auch einige Hinweise aus Studien, dass Aspartat bei Erschöpfungszuständen, Müdigkeit und verminderter körperlicher Belastbarkeit positive Effekte zeigen könnte; allerdings ist hier die Datenlage nicht eindeutig.
Asparagin wird aus Asparaginsäure unter ATP-Verbrauch gebildet. Als NH2-Donator dienen dabei nicht Ammoniumionen, sondern das Glutamin. Asparagin ist im Gegensatz zu Glutamin nicht am Stickstofftransport beteiligt, es spielt aber eine wichtige Rolle für die Bildung von Glykoproteinen. Dabei stellt Asparagin sozusagen die Brücke zwischen dem Protein- und dem Kohlenhydratanteil dar. Niedrige Asparaginkonzentrationen können häufig bei physischem Stress beobachtet werden.
Arginin
Arginin ist eine semiessenzielle Aminosäure, die prinzipiell im Organismus eines gesunden Erwachsenen selbst gebildet werden kann. Essenziell ist Arginin bei Säuglingen und Kleinkindern, aber auch bei Sepsis und chronischer Niereninsuffizienz. Es ist ein wichtiges Substrat des Harnstoffzyklus, weshalb die Leber auch keine größeren Mengen an das Blut abgeben kann. Die Argininbiosynthese findet überwiegend in den Enterozyten des Darms sowie in den Nieren statt. Arginin ist Ausgangssubstanz für die Bildung von Kreatin und via Ornithin auch für die Bildung von Polyaminen; ferner ist es für die Kollagensynthese und für die Wundheilung erforderlich.
Von besonderer therapeutischer Bedeutung ist die Funktion des Arginins als Ausgangssubstanz für die Stickoxid (NO)-Synthese. NO ist ein kurzlebiges gasförmiges Signalmolekül, das mittels verschiedener NO-Synthase (NOS) hergestellt wird. In den Blutgefäßen bewirkt NO eine Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur, was zu einer Vasodilatation führt. Makrophagen produzieren große Mengen an NO zur Bekämpfung intrazellulärer Erreger. NO spielt zudem eine wichtige Rolle bei der Neurotransmission: Je nach Synapsentyp erhöht oder vermindert es die Freisetzung klassischer Neurotransmitter. NO ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit an der Langzeitpotenzierung im Gehirn beteiligt, die bekanntlich für die Gedächtnisbildung erforderlich ist.
Arginin übt vielfältige Gefäß schützende Funktionen aus: Es vermindert die Thrombozytenaggregation und hemmt die Adhäsion von Monozyten an die Gefäßwand. In zahlreichen Studien konnte gesichert werden, dass Arginin eine wichtige antiatherogene Wirkung hat.
Bei erhöhten Cholesterinwerten kommt es zu einer Störung des NO-Metabolismus und dabei zu einer Beeinträchtigung der Gefäßregulation. Auch verschiedene andere pathogene Faktoren wie erhöhtes Homocystein, oxLDL und ein Antioxidanzienmangel, stören den NO-Stoffwechsel und erhöhen den Argininbedarf. Es gibt zahlreiche Studien über die Wirksamkeit einer Argininsupplementierung bei verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wobei eine effektive therapeutische Dosis bei mindestens 6 Gramm pro Tag liegt.
Cystein
Cystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure mit einer freien SH-Gruppe. Prinzipiell kann Cystein aus Methionin gebildet werden, ist also nicht essenziell. Eine Essenzialität von Cystein kann sich aber bei einer unzureichenden Methioninverfügbarkeit sowie bei einer Unreife der Leberfunktion oder einer erheblichen Schädigung der Leber ergeben. Aufgrund seiner SH-Gruppe bildet Cystein leicht Schwefelbrücken, z. B. mit einem zweiten Cysteinmolekül unter Bildung von Cystin, oder mit vielen anderen schwefelhaltigen Biomolekülen. Cystin spielt eine wichtige Rolle für die Struktur und das Wachstum von Haut und Haaren. Über die Bildung von Schwefelbrücken trägt Cystein erheblich zur Stabilisierung der Tertiärstrukturen vieler Proteine bei. Die SH-Gruppe des Cysteins ist häufiger Bestandteil der katalytischen Zentren von Enzymen.
Cystein ist ein wesentlicher Baustein des Tripeptids Glutathion. Cystein/Glutathion sind bedeutende Regulatoren der Körperzellmasse und der Proteinbilanz. Ein Cysteinmangel bringt eine vermehrte Stickstoffausscheidung über den Harnstoffzyklus mit sich. Bei vielen entzündlichen und infektiösen Erkrankungen sowie bei Tumoren ist inzwischen ein Cystein/ Glutamin-Mangelsyndrom festgestellt worden, das mit einer erheblichen Immunschwäche einhergeht. Cystein und Glutathion sind von entscheidender Bedeutung für die Entgiftung toxischer Stoffwechselprodukte wie Aflatoxine, Xenobiotika und Schwermetalle. Bei einer Vergiftung mit Paracetamol ist die Steigerung der Glutathionbiosynthese lebenswichtig. Die Glutathionkonzentration kann durch die Gabe von N-Acetylcystein effektiv angehoben werden. NAC ist im Gegensatz von Cystein chemisch stabil und eignet sich in hervorragender Weise für die Cystein-Supplementierung. Es gibt viele Anwendungsgebiete für eine Cystein-NAC-Supplementierung: z. B. zur Erhöhung der NO-Bioverfügbarkeit, zur Verbesserung der Nitrattoleranz, zur Behandlung von Dyslipoproteinämien, zur Steigerung der antioxidativen Kapazität bei Lungenerkrankungen. Außerdem gehört Glutathion zu den wichtigsten Antioxidanzien in der Augenlinse und kann diese vor oxidativen Schäden schützen. Prinzipiell trägt auch eine gute Versorgung mit Vitamin C zur Anhebung des Glutathionstatus bei. Besonders wichtig ist Vitamin C, wenn Cystein anstelle von NAC zur Vermeidung der Oxidation von Cystein zu Cystin eingesetzt wird. Cystein ist auch die Ausgangssubstanz für die Taurin-Biosynsynthese und ist an der Fettsäuresynthese beteiligt.
Citrullin
Citrullin ist keine proteinogene Aminosäure, sondern ein Metabolit des Harnstoffzyklus. Die Bildung von Citrullin ist eine Stoffwechselleistung der Enterozyten. Ungefähr 13 Prozent des von den Enterozyten aufgenommenen Glutamins wird zu Citrullin verstoffwechselt. Das vom Darm freigesetzte Citrullin wird dann von den Nieren zur Argininsynthese verwendet. Die Citrullinkonzentration im Blutserum kann also einen Hinweis auf die Leberfunktion (Harnstoffzyklus) geben; sie ist aber auch ein Marker für die Funktionsfähigkeit der Enterozyten.
Neuere Studien haben gezeigt, dass die Citrullin-Supplementierung eine effektive Maßnahme dafür ist, den Argininspiegel anzuheben, da Citrullin rasch zu Arginin verstoffwechselt wird. Citrullin hat sogar einen erheblichen Vorteil gegenüber einer Argininsupplementierung: Es erhöht nicht die Aktivität der Arginase, die für einen beschleunigten Argininabbau sorgt.
Glutaminsäure
Glutaminsäure ist sozusagen eine wichtige Drehscheibe des Aminosäurenstoffwechsels, was auch daran erkennbar ist, dass die Enzyme des Glutamatstoffwechsels häufig verwendete Parameter der Labormedizin sind. Glutaminsäure ist Ausgangssubstanz für die Bildung von Glutamin, Prolin, Arginin und Ornithin sowie von N-Acetylglutamat, einem wichtigen Regulatormolekül des Harnstoffzyklus. Glutamat, das Salz der Glutaminsäure, ist der bedeutendste exzitatorische Neurotransmitter im ZNS, außerdem die Vorstufe des inhibitorischen Neurotransmitters GABA.
Glutamat spielt eine zentrale Rolle für die synaptische Plastizität, insbesondere für die Langzeitpotenzierung. Allerdings hat Glutamat auch neurotoxische Eigenschaften, besonders dann, wenn die Energieversorgung der Neuronen beeinträchtigt ist. Bei verschiedenen Erkrankungen sind exzitotoxische Effekte mitbeteiligt, z.B. bei Epilepsien, bei der cerebralen Ischämie und beim Apoplex. In jüngerem Lebensalter und bei bestehenden Lem- und Konzentrationsstörungen kann eine Supplementierung der Glutaminsäure zur Verbesserung der Hirnleistungsfähigkeit durchaus angebracht sein.
Glycin
Glycin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung zahlreicher Moleküle: Glutathion, Cholin, Porphyrine, Purine, Kreatin, Collagen und Elastin. Zu seiner Stoffwechselbedeutung gehört auch seine Beteiligung an der Synthese von Gallensäuren und an Phase-Il-Entgiftungsreaktionen. Glycin ist ein inhibitorischer Neurotransmitter an Glycinrezeptoren, d.h. es zeigt spasmolytische Effekte; zudem ist es ein CoNeurotransmitter an NMDA-Rezeptoren. Glycin hat entzündungshemmende und hepatoprotektive Eigenschaften. Neuerdings gibt es auch Hinweise auf eine antioxidative Wirkung sowie auf einen Schutzeffekt gegen die Bildung von AGEs. Glycin kann bei verschiedenen Symptomen erfolgreich eingesetzt werden, z.B. als spasmolytische Substanz bei Muskelverspannungen; auch bei Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen weist es eine positive Wirkung auf; es unterstützt ferner die Entgiftungskapazität der Leber und kann entzündliche Prozesse vermindern. Glycin-Gaben können auch bei auftretenden Panikattacken oder Ängstlichkeit helfen, da diese Aminosäure die Bildung von Noradrenalin im ZNS reduziert.
Histidin
Histidin wird heute zu den essenziellen Aminosäuren gezählt. Der pH-Wert von Histidin befindet sich im Neutralbereich, dadurch kann es sowohl als Protonen-Donator als auch als Protonen-Akzeptor auftreten. Aufgrund dieser chemischen Eigenschaften hat Histidin als Ligand in Metallverbindungen wie Hämoglobin, Myoglobin, Carboanhydrase etc. funktionelle Bedeutung.
Histidin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung des Dipeptids Carnosin, das wichtige antioxidative und neuroprotektive Eigenschaften aufweist. Auch Histidin selbst besitzt ein antioxidatives Potential. Histidin fördert die Prostacyclinsynthese und reduziert die Thrombozytenaggregation. Bei verschiedenen „free radical diseases“ wie rheumatoider Arthritis und Morbus Alzheimer wurden erniedrigte Histidinkonzentrationen nachgewiesen. Histidin ist auch die Ausgangssubstanz für die Bildung von Histamin, das im Organismus als Gewebshormon und Neurotransmitter weit verbreitet ist.
Isoleucin, Leucin, Valin
Diese drei Aminosäuren sind aufgrund ihrer chemischen Struktur unter dem Begriff verzweigtkettige Aminosäuren zusammengefasst (BCAAs). Im Gegensatz zu den übrigen Aminosäuren werden sie nicht in erster Linie in der Leber verstoffwechselt, sondern in der Muskulatur. 35 Prozent der Muskelproteine bestehen aus BCAAs. Sie dienen im arbeitenden Muskel als Energielieferanten und sind auch anabole Signalgeber, die die Proteinsynthese fördern.
Leucin aktiviert die Proteinkinase mTOR – ein wichtiger Energiesensor im Stoffwechsel. Möglicherweise könnte über eine vermehrte Zufuhr der verzweigtkettigen Aminosäuren eine Begrenzung der Nahrungsaufnahme und eine Reduzierung des Körpergewichts erreicht werden.
Die BCAAs können zur Reduktion des Aminosäurenkatabolismus und zur Verbesserung der Stickstoffbilanz mit Erfolg eingesetzt werden, weshalb sie bei Erkrankungen mit hohem Proteinabbau, z.B. Tumorerkrankungen, häufig sehr nützlich sind. Besonders auch bei chronischen Lebererkrankungen sollte auf eine ausreichende Zufuhr der verzweigtkettigen Aminosäuren geachtet werden, da diese die Aufnahme der aromatischen Aminosäuren wie z.B. Tryptophan und Tyrosin über die Blut-Hirnschranke verhindern können. Ein erhöhter Bedarf an BCAAs besteht außerdem bei physischem Stress und bei Leistungssport.
Glutamin
Glutamin ist mit einem Mengenanteil von 20 Prozent die quantitativ bedeutendste freie Aminosäure im Blutserum und im Muskelgewebe. Es spielt bei einer Vielzahl von Stoffwechselwegen eine wichtige Rolle, z.B. für die Bereitstellung von Stickstoff für die Synthese von Purinen, Pyrimidinen, Nukleotiden und Aminozuckern. Glutamin ist ein wichtiges Energiesubstrat für die Zellen des Gastrointestinaltrakts sowie eine Energiequelle für alle sich schnell vermehrenden Zellen des Immunsystems. Aufgrund seiner Fähigkeit, das Zellvolumen zu stabilisieren, besitzt es einen antikatabolen Effekt. Außerdem ist Glutamin für die Regulation des Säure-Basen-Haushalts von Bedeutung, weil es von den Nieren zur Bildung und Ausscheidung von Ammoniumionen verstoffwechselt wird.
Im Postaggressionsstoffwechsel, z.B. bei Entzündungen oder nach chirurgischen neurologischen Eingriffen, kommt es zu einer Verarmung des Glutaminpools, die sich z.B. in einem verlängerten Krankheitsverlauf und in einer erhöhten Infektanfälligkeit auswirkt. Auch bei Leistungssportlern besteht ein erhöhter Glutaminbedarf. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine Glutaminsupplementierung nach Ausdauerbelastung die Infektanfälligkeit vermindern kann. Glutamin ist eine wichtige Ausgangssubstanz für die Bildung von Glutathion und des Neurotransmitters GABA. Oftmals kann eine Glutaminsupplementierung auch bei Magen-Darm-Erkrankungen wie dem „leakygut-syndrome“ oder dem colon irritabile hilfreich sein.
Lysin
Lysin ist wie Arginin eine basische Aminosäure, die im Vergleich zu den übrigen Aminosäuren im Organismus sehr stark konserviert wird. Zu den Funktionen des Lysins gehört seine Beteiligung an der Collagen- und Elastin Biosynthese und seine Eigenschaft als Ausgangssubstanz für die Bildung von Carnitin. Die Leberrezeptoren verfügen über lysinreiche LDL-Regionen. Lysin ist auch ein Stimulator der STH-Sekretion und essenziell für die Immunkompetenz; es hat einen positiven Einfluss auf die intestinale Calciumresorption und ist einer der Mikronährstoffe, die bei der Prävention und Therapie der Osteoporose eine Rolle spielen. Eine Supplementierung dieser Aminosäure hat einen positiven therapeutischen Effekt bei Infektionen mit Herpesviren. Lysin ist sozusagen der Stoffwechselgegenspieler zu Arginin und kann die Argininaufnahme in die virenproduzierenden Zellen hemmen, weshalb sich die Herpesviren dann nicht vermehren können.
Durch eine Supplementierung von einem Gramm Lysin täglich konnte bei Typ-2-Diabetikern eine Reduzierung der postprandialen Glukosekonzentration erreicht werden: Wahrscheinlich wird durch Lysin die Tyrosinkinase des Insulinrezeptors stimuliert.
Methionin
Methionin ist eine schwefelhaltige essenzielle Aminosäure. Sie ist Ausgangssubstanz für die Bildung von Cystein und via Cystein auch für das Tripeptid Glutathion. Aus Methionin wird unter ATP-Verbrauch S-Adenosyl-Methionin (SAM) gebildet, der wichtigste Molekülgruppendonator im Stoffwechsel. Bis dato wurden mehr als 40 SAM-abhängige Methyltransferasen identifiziert. Zu den Verbindungen, deren Methylgruppen von SAM stammen, zählen: Carnitin, Cholin, Kreatin, Adrenalin, Melatonin, methylierte Basen, Methylhistidin etc. Bei den Transmethylierungen geht SAM in S-Adenosylhomocystein über, aus dem dann das Homocystein entsteht. Homocystein wird entweder zu Methionin zurückverwandelt (remethyliert) oder durch Transsulfurierung zu Cystein verstoffwechselt.
Methionin ist eine wichtige Protonen- und Schwefelquelle im Stoffwechsel. Verschiedene endogene Substanzen, wie z.B. Katecholamine und Steroidhormone, und Xenobiotika, z.B. Paracetamol, werden durch Sulfatierung entgiftet. Methionin besitzt lipotrope Eigenschaften, d.h. es kann die übermäßige Fetteinlagerung in der Leber verhindern; ferner wird es bei Harnwegsinfekten zur Harnansäuerung verwendet und kann außerdem bei Allergien zur Beschleunigung des Abbaus von Histamin hilfreich sein. Eine zu hohe Methioninzufuhr sollte vermieden werden, da diese eine latente Acidose und eine vermehrte Calciumausscheidung verursachen kann.
Ornithin
Neben Arginin und Citrullin ist auch Ornithin ein Metabolit des Harnstoffzyklus. Eine Supplementierung von Ornithinaspartat ist eine bewährte und häufig durchgeführte Maßnahme bei Patienten mit Leberzirrhose. Diese Substanz führt zu einer deutlichen Besserung der Leberfunktion. Bei leichten Leberfunktionsstörungen kann eine Ornithinsupplementierung den Heilungsverlauf begünstigen. Ebenso wie Arginin kann Ornithin die Hypophyse zu einer verstärkten Sekretion von STH anregen, die aber nur bei ziemlich hohen Dosierungen zuverlässig nachgewiesen ist.
Prolin
Prolin ist eine nicht essenzielle Aminosäure, die aus Glutamat gebildet werden kann. Aus Prolin entsteht oftmals Hydroxyprolin, ein wichtiger Bestandteil der Collagene. Die Collagene haben immerhin einen Anteil von 30 Prozent an der Gesamtproteinmenge des menschlichen Organismus. Hydroxyprolin wird beim Abbau der Knochencollagene durch Osteoklasten freigesetzt, in der Leber verstoffwechselt und/ oder über den Urin ausgeschieden. Hydroxyprolin im Urin ist ein Marker für den Knochenabbau. Eine Prolinsupplementierung ist häufig sinnvoll bei Wundheilungsstörungen sowie zur Prävention der Osteoporose und Faltenbildung. Nicht selten finden sich im Blutserum auch erhöhte Konzentrationen, die dann meist ein Hinweis auf chronisch hohen Alkoholkonsum oder auf einen zirrhotischen Umbau der Leber sind.
Serin
Serin ist eine nicht-essenzielle Aminosäure; sie lässt sich leicht in Glycin und dieses wieder in Serin umwandeln.
Serin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung von Cholin, Acetylcholin und Phosphatidylserin und spielt eine bedeutende Rolle beim Methionin-/ Homocysteinmetabolismus. Die Methylgruppe des Serins wird für die Bildung von 5-Methyl-THF aus THF benötigt. Somit ist die Remethylierung des Homocysteins von einer ausreichenden Verfügbarkeit des Serins abhängig. Außerdem ist Serin an der Cysteinbildung aus S-Adenosyl-Homocystein beteiligt. Es konnte nachgewiesen werden, dass durch eine Serinsupplementierung der Homocysteinanstieg nach Methioninbelastung wesentlich geringer ausfällt. Eine Serinsupplementierung kann auch zur Verbesserung der Cholin-/ Acetylcholinsynthese in Frage kommen.
Es gibt Hinweise aus Studien, dass bei psychotischen Patienten das Serin-/ Cysteinverhältnis aus dem Gleichgewicht ist: Serin im Verhältnis zu Cystein ist bei diesen deutlich höher als bei gesunden Probanden. Nachgewiesen wurde auch, dass durch die Einnahme von Serin die Serumkonzentrationen bei psychotischen Patienten sehr viel stärker ansteigen als bei gesunden Probanden. Bei Psychosen könnte also eine Störung des Serinstoffwechsels vorliegen, deshalb sollte Serin in solchen Fällen nicht supplementiert werden.
Threonin
Threonin ist eine essenzielle Aminosäure, aus der Glycin und Serin gebildet werden können; Threonin kann auch 0-glykosidische Verbindungen mit Kohlenhydraten erzeugen. Besonders threoninreiche Moleküle sind die Mucine, organische Schleimstoffe zum Schutz der Schleimhäute. Threoninreiche Verbindungen sind sehr Proteolyse-stabil, d.h. sie werden nur schwierig abgebaut.
Niedrige Threoninkonzentrtionen im Blutserum/ Plasma sind oftmals ein Hinweis auf Maldigestion und/ oder Pankreasinsuffizienz. Threoninsupplemente können mit Erfolg zur Dämpfung der neuromuskulären Erregbarkeit und zur Stärkung des Immunsystems eingesetzt werden. Bei Patienten mit gastroenterologischen Erkrankungen ist oftmals eine Threonin-Supplementierung angezeigt.
Taurin
Taurin ist ein Aminosäurenderivat, das aus Cystein gebildet wird. Etwa ein Drittel des Cysteins wird normalerweise im menschlichen Stoffwechsel zu Taurin umgewandelt. Taurin ist nicht an der Proteinsynthese beteiligt, sondern befindet sich in freier Form im Blut und in den Geweben. Nach Glutamin hat Taurin die höchste Konzentration im Pool freier Aminosäuren. Verschiedene Gewebe sind besonders taurinreich, z.B. das ZNS, die Retina, die Lymphozyten und die Thrombozyten. Für Frühgeborene und Kleinkinder ist Taurin essenziell. Im Rahmen einer Mikronährstofftherapie gibt es für Taurin viele verschiedene Indikationen.
Taurin bildet mit Gallensäuren Konjugate und verbessert damit die Ausscheidung von Gallensäuren, wodurch das Risiko für Gallensteine gesenkt wird. Es vermindert auch die Hepatotoxizität verschiedener Xenobiotika. Einige Funktionen von Taurin werden über Calcium vermittelt, z.B. die Modulation der Signalübertragung, die positiv inotrope und antiarrhythmische Wirkung am Herzmuskel, die Stabilisierung neuraler Membranen in Retina und ZNS und die Verminderung der Thrombozytenaggregation. Inzwischen wird Taurin sowohl als Neurotransmitter als auch als Neuromodulator eingestuft. Zu den Anwendungsgebieten einer Taurinsupplementierung gehören Augenerkrankungen, z.B. die Makuladegeneration, und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Studien zeigte sich, dass Diabetiker im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen teilweise erniedrigte Taurinspiegel haben. Eine \Supplementierung mit Taurin dient möglicherweise der Prävention diabetischer Spätschäden. Auch bei chronischen Nierenerkrankungen sind die Taurinspiegel meist deutlich reduziert. Taurin schützt die Membranen der Glomeruli und des Tubulusepithels. Hilfreich ist Taurin auch bei entzündlichen Lungenerkrankungen.
Phenylalanin
Phenylalanin ist eine essenzielle Aminosäure, die für die Proteinsynthese benötigt wird und gleichzeitig als Vorstufe für die Bildung von Tyrosin dient. Für Frühgeborene und auch Neugeborene ist Tyrosin eine essenzielle Aminosäure, da dessen Bildung aus Phenylalanin noch nicht erfolgen kann. Tyrosin ist Vorstufe der Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin sowie der Schilddrüsenhormone Tyroxin und Trijodtyronin; außerdem wird es für die Bildung des Coenzyms Q10 und des Farbpigments Melanin benötigt.
Tyrosin
Im Frühstadium des Morbus Parkinson kann eine Tyrosinsupplementierung zur Erhöhung der Dopaminkonzentration sinnvoll sein. Da ein Mangel an Noradrenalin auch bei Depressionen eine Rolle spielen kann, ist eine Tyrosinsupplementierung für manchen depressiven Patienten hilfreich. Ferner kann der Tyrosinbedarf in chronischen Stresssituationen aufgrund des vermehrten Katecholaminverbrauchs erhöht sein. Durch eine Tyrosinsupplementierung können dann Hirnleistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit verbessert werden.
Tryptophan
Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure und gleichzeitig die Aminosäure, die in Nahrungsmitteln am seltensten vorkommt. Sie ist die Ausgangssubstanz für die Bildung des Neurotransmitters Serotonin und des Epiphysenhormons Melatonin. Serotonin ist ein wichtiger Neurotransmitter, der über verschiedene Rezeptorentypen ganz unterschiedliche biologische Wirkungen entfaltet. Serotonin ist z.B. an der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Stimmungslage, der Schmerzempfindung, der Appetitkontrolle und des Endokrinums beteiligt.
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Durch eine Tryptophansupplementierung kann die Serotoninkonzentration im ZNS effektiv angehoben werden. Dabei ist es zweckmäßig, Tryptophan zusammen mit Kohlenhydraten einzunehmen aus folgendem Grund: Tryptophan ist die einzige Aminosäure, deren Konzentration durch die Insulinwirkung nicht vermindert wird und die deshalb eine größere Chance hat, durch die Blut-HirnSchranke ins ZNS zu gelangen.
Aus Tryptophan kann auch Niacin gebildet werden, wobei man davon ausgeht, dass 60 mg Tryptophan benötigt werden, um 1 mg Niacin zu erzeugen.
Niedrige Tryptophankonzentrationen treten sehr häufig auf und sind meist mit psychischen Befindlichkeitsstörungen wie Depressionsneigung, Nervosität, Ängstlichkeit etc. assoziiert. Im Falle einer Supplementierung der aromatischen Aminosäuren Tryptophan, Tyrosin und Phenylalanin bei chronischen Lebererkrankungen ist äußerste Vorsicht geboten, da es möglicherweise zur Bildung so genannter falscher Neurotransmitter oder zu Neurotransmitter-Imbalancen kommen kann.