Alzheimer: Natürliche Antikörper attackieren Gehirnplaques
Der menschliche Körper besitzt möglicherweise einen angeborenen Schutz vor Alzheimer.
Amerikanische Forscher haben im Blut gesunder Menschen Antikörper entdeckt, welche die für Alzheimer typischen Ablagerungen – die Plaques – im Gehirn angreifen.
Washington – Gegen Alzheimer sind Mediziner bislang machtlos. Trotz erster Erfolge bei Versuchen mit Mäusen ist bislang kein Medikament bekannt, das die vor allem im hohen Alter auftretende Demenz-Erkrankung stoppen könnte. Lediglich Faktoren, die das Risiko einer Erkrankung mindern, sind bekannt: Bewegung, gesunde Ernährung und geistige Aktivität – etwa Kreuzworträtsel oder Sudoku.
Viele Experten glauben kaum noch an eine Tablette, die den Befreiungsschlag für bereits Erkrankte bringen wird. Doch womöglich gibt es doch Hoffnung für Menschen, bei denen in Zukunft Alzheimer diagnostiziert werden wird.
Norman Relkin und seine Kollegen von der Cornell University in Ithaca haben auf einer internationalen Alzheimer-Konferenz in Washington über bislang unbekannte natürliche Antikörper gegen die für Alzheimer typischen Plaques berichtet. Diese attackierten die gefährlichen Ablagerungen im Gehirn – und zwar so spezifisch, dass sie lediglich dann reagierten, wenn sich diese sogenannten Abeta-Proteine bereits zu einer Vorstufe der Plaques zusammengelagert hatten. Die neu entdeckten Antikörper könnten sich auch für die Behandlung bereits bestehender Alzheimer-Erkrankungen eignen, hätten erste klinische Studien gezeigt.
Eigentlich war die Entdeckung eher ein Zufall: Relkin und sein Team hatten acht Alzheimer-Patienten mit einer Immuntherapie behandelt, bei der den Betroffenen ein Cocktail aus Antikörpern verabreicht wird, der aus dem Blut mehrerer gesunder Menschen gewonnen wird. Diese Therapie wird heute beispielsweise bei verschiedenen Immunschwächen und bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt.
Das Ergebnis war eine deutliche Verringerung der Abeta-Mengen im zentralen Nervensystem der Patienten – so deutlich, dass sie sich nicht durch die schon früher entdeckte Anwesenheit einiger weniger Antikörper gegen Abeta in dem Immuncocktail erklären ließ. „Wir vermuteten daher, dass es noch einen anderen, bisher unbekannten Akteur geben muss“, erklärte Studienleiter Relkin.
Allgemeiner Abwehrmechanismus?
Eine Untersuchung im Labor bestätigte diese Vermutung: Die Antikörper-Mischung zeigte eine schwache Reaktion, wenn sie mit einzelnen Abeta-Molekülen in Kontakt kam. Zusätzlich gab es jedoch noch einen weitaus stärkeren Effekt, wenn die Abeta-Proteine zu altern begannen und sich zu sogenannten Oligomeren zusammenlagerten. Die Bildung solcher Oligomere gilt als erster Schritt für die Plaque-Formation und damit auch als Beginn der irreversiblen Schädigung der Gehirnzellen. In weiteren Versuchen gelang es den Forschern dann, die für diese Reaktion verantwortlichen Antikörper zu isolieren.
Interessanterweise reagierten die Abwehrproteine nicht nur auf Abeta-Oligomere, sondern auch auf andere zusammengeklumpte Eiweiße wie etwa Prionen oder die bei Parkinson vorkommenden Lewy-Körperchen, berichteten die Wissenschaftler. Es sei also möglich, dass es sich dabei um einen allgemeinen Abwehrmechanismus handelt, mit dem der Körper versucht, sich vor den gefährlichen neurodegenerativen Krankheiten zu schützen.
Welchen Nutzen die Antikörper jedoch für die Behandlung der Erkrankungen haben, sei bisher vollkommen unklar. Zwar erschienen die Ergebnisse der ersten Tests vielversprechend. Es müsse jedoch abgewartet werden, ob sie sich in den zum Teil bereits laufenden größeren Untersuchungen bestätigten und ob es einen ähnlich Effekt auch bei den anderen Krankheiten gebe.