Wann ist eine medizinisch-wissenschaftliche Studie hochwertig?
Wissenschaftliche Aussagen und Studienergebnisse werden gerne zitiert. Doch es gibt erhebliche Unterschiede in der Qualität der Aussage. Wie gut und überzeugend eine wissenschaftliche Studie ist, hängt vor allem vom Design der Studie ab.
Die einfachste aller Studien ist die Anwendungsbeobachtung
Dabei wird beobachtet und systematisch aufgeschrieben, wie der Status vor z.B. der Verabreichung von Vitaminen oder anderen Vitalstoffen und wie der Status des Patienten bzw. der untersuchten Personen während und nach der Verabreichung der zu untersuchenden Nährstoffe ist. Aus der beobachteten Änderung der gesundheitlichen Zustände des Patienten (weniger Krankheiten, bessere subjektive Fitness, geringerer Blutzuckerspiegel, Senkung von Bluthochdruck, verbesserte Blutwerte oder andere Parameter) werden dann Aussagen zum verabreichten Stoff abgeleitet. Dieses Verfahren ist relativ einfach für den Mediziner umzusetzen, da es keine von vornherein feststehende höhere Anzahl von verfügbaren Probanden benötigt.
Es hat allerdings den Nachteil, dass die beobachteten Effekte nur schwer von anderen Effekten getrennt werden können. Es ist daher nicht immer klar, ob wirklich ausschließlich die Gabe eines Stoffes oder evtl. die Kombination anderer Maßnahmen die beobachtete Wirkung gezeigt hat.
Meta-Analysen sind häufig sehr zweifelhaft
Eine Metaanalyse ist eine Zusammenfassung von Primär-Untersuchungen zu Metadaten, die mit quantitativen, statistischen Mitteln arbeitet. Der Begriff wurde 1976 vom Psychologen Gene V. Glass (* 1940) in seinem Artikel „Primary, Secondary and Meta-Analysis of Research“ eingeführt. Er definiert Metaanalyse als […] analysis of analyses. I use it to refer to the statistical analysis of a large collection on analysis results from individual studies for the purpose of integrating the findings. (deutsch: „[…] Analyse von Analysen. Damit meine ich die statistische Analyse einer großen Sammlung von Analyse-Ergebnissen mehrerer Einzelstudien, die dadurch zusammengeführt werden sollen.“). Durchgeführt wurde die erste Metaanalyse jedoch bereits 1904 von Karl Pearson, der die Teststärke von Studien mit wenigen Probanden durch Zusammenfassen erhöhen wollte.
Im Gegensatz zur Methode der Metaanalyse stehen qualitative Verfahren, bei denen auf dem Wege subjektiver Einschätzung versucht wird, aus dem Inhalt der Primärstudien Schlüsse zu ziehen. Beim Verwenden von qualitativen Verfahren ist eine fehlerhafte Schlussfolgerung oder Auswertung wesentlich einfacher möglich als beim Einsatz einer Metaanalyse.
Geht es um die Erforschung und Bewertung medizinischer Therapieverfahren, so wird Meta-Analysen meist eine sehr hohe Aussagekraft nachgesagt. Das Deutsche Cochrane-Zentrum (Sie sollten wissen, dass das Cochrane-Zentrum nur für die Pharmaindustrie arbeitet) definiert eine Meta-Analyse als statistisches Verfahren mit dem Ziel, die Ergebnisse mehrerer Studien zu einer identischen Fragestellung zu einem Gesamtergebnis zusammenzufassen. Auf diese Weise soll die Aussagekraft bzw. die Genauigkeit der Effekteinschätzung im Vergleich zu Einzelstudien erhöht werden. So attraktiv das mit Meta-Analysen verfolgte Konzept auch – zumindest theoretisch – klingt, in der Praxis scheitert es nicht selten an zwei Hürden.
- Meta-Analysen bilden hoch komplexe Systeme mit ihren vielen Variablen nur ungenügend ab.
- Die Ergebnisse von Meta-Analysen lassen sich durch Fragestellung und Beobachtungs-Perspektive relativ leicht in eine bestimmte Richtung hin „formen“.
Hochwertige Studien: Gold-Standard
Hochwertige wissenschaftliche Studien folgen daher einem Studiendesign, das man allgemein als wissenschaftlicher „Gold-Standard“ bezeichnet. Es handelt sich um randomisierte, placebo-kontrollierte und doppelblinde Studien.
Die randomisierte placebo-kontrollierte Studie (englisch: randomized
placebo controlled trial, RPCT) ist das beste Studiendesign, um eine
medizinische Behandlung und deren Effekt zu untersuchen.
Bei diesem
Studiendesign wird eine Gruppe von Patienten oder Probanden nach dem
Zufallsprinzip in zwei oder mehrere Gruppen aufgeteilt. Die Aufteilung
nach dem Zufallsprinzip nennt man „randomisieren“. Im einfachsten Fall
könnte man die Gruppen mit Hilfe eines Würfels randomisieren; bei einer
eins bis drei geht der Proband in die erste Gruppe, bei einer vier bis
sechs in eine zweite Gruppe. Natürlich erfolgt das Randomisieren aber
heutzutage mit Hilfe spezieller Computerprogramme oder durch Verwendung
von statistischen Textbu?chern.
Die eine Gruppe erhält das zu untersuchende Medikament (die sogenannte Verumgruppe, verum ist lateinisch und bedeutet „wahr“), während die andere Gruppe (Kontrollgruppe) eine konventionelle Therapie (z.B. Vergleichstherapie), ein Placebo (Placebogruppe) oder nichts erhält.
Ein Placebo ist ein Mittel, dass keinerlei Wirkstoffe enthält. Der Begriff „kontrolliert“ bezieht sich darauf, dass die Resultate in der Verumgruppe mit jenen der Kontrollgruppe und damit mit einem Referenzwert ohne Intervention verglichen wurden.
“Blinde Studien” sind nicht blind, sondern besonders hochwertig
Im Idealfall wissen weder der Patient noch der Forscher, wer welche Therapie erhält. Eine Studie ist
- einfachblind, wenn die Patienten nicht wissen, welche Substanz (Kontrolle oder Verum) sie erhalten (Versuchsperson «blind»),
- doppelblind, wenn die Patienten und der behandelnde Mediziner nicht wissen, wer welche Substanz erhält (Versuchsperson und Versuchshelfer «blind»),
- dreifachblind, wenn weder die Patienten, noch der behandelnde Mediziner, noch die Studienauswerter wissen, wer welche Substanz erhält (Versuchsperson, Versuchshelfer und Versuchsauswerter «blind»).
Der große Vorteil der randomisierten, kontrollierten Studie liegt darin, dass die Gruppen so identisch wie möglich sind und bekannte und nicht bekannte Unterschiede möglichst gleich verteilt sind. Durch die Verblindung sollen systematische Verzerrungen (Bias) verhindert werden, welche durch die Erwartungen der Patienten aber auch der Studienärzte entstehen können. Es wird also der „Placeboeffekt“ ausgeschaltet: Oft fühlen sich Patienten schon allein deshalb besser, weil sie etwas genommen haben – obwohl das Präparat keinerlei Wirkstoffe enthält.
Einfachblindstudie
Eine Einfachblindstudie ist eine klinische Studie, bei der nur die „Verblindung“ der Studienteilnehmer erfolgt. Die Testpersonen oder Patienten wissen nicht, ob sie das Verum- oder das Placebo-Präparat erhalten. Dem durchführenden Prüfarzt ist die Zuordnung hingegen bekannt.
Einfachblindstudien können statt einer Doppelblindstudie sinnvoll sein, wenn der Arzt ohnehin weiß, welche Therapie erfolgt (z.B. bei Akupunktur vs. Scheinakupunktur) und der Aufwand der doppelten Verblindung nicht möglich, erforderlich oder angemessen ist. Die Auswertung der Daten sollte aber durch einen verblindeten Auswerter erfolgen, der die Zuordnung der Teilnehmer zur Placebo- oder Verumgruppe nicht kennt.
Doppelblindstudie
Das ist eine klinische Studie, bei der weder der Arzt noch der Patient darüber informiert ist, ob der Patient mit einer wirksamen Substanz oder einem Placebo therapiert wird. Das Doppelblind-Verfahren soll eine psychische Beeinflussung der Erkrankung durch Arzt und Patient vermeiden.
Randomisierung
Randomisierung ist ein Verfahren für klinische Studien und die empirische Sozialforschung, bei dem die Versuchspersonen (z. B. teilnehmende Patienten) unter Verwendung eines Zufallsmechanismus unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden. Dadurch sollen bekannte und unbekannte personengebundene Störgrößen gleichmäßig auf Experimental- und Kontrollgruppen verteilt (s. Ceteris paribus) werden. Durch das Verfahren sollen Alternativerklärungen ausgeschlossen und die Wahrscheinlichkeit verringert werden, dass der in einem Wirksamkeitstest nachgewiesene Effekt einer systematischen Verzerrung (Bias) unterliegt. Randomisierung ist die Voraussetzung für eine weitere Maßnahme zur Vermeidung des Bias: der Verblindung.